11. Juli 2024
Zum Hochfest des heiligen Benedikt von Nursia
Die Sehnsucht des Menschen hat ihre Anziehungskraft in dem ersehnten, Gott, aber sie hat auch eine unmittelbare Anziehungskraft auf den Menschen, sein sichtbares Symbol.
MANN DER SÜNDE
Der orthodoxe Theologe Paul Evdokimov schrieb, dass „das monastische Leben seine Erklärung im Durst nach Gott findet. Wenn wir es definieren wollen, können wir sagen, dass es der Grad der Intensität dieses Verlangens und Durstes ist“. Diese Aussage, die so tiefgründig und suggestiv ist und die Wurzel des Mönchtums gut erfasst, versinkt im biblischen Humus. In Gen 2,7 lesen wir, dass Gott „den Menschen schuf (…) und der Mensch wurde ein lebendiges, begehrendes Wesen“, nach dem hebräischen nefesh chajjah. Die Begierde, das konstitutive Element Adams, wird so zum hermeneutischen Schlüssel für das Verständnis dessen, was der Mensch ist, für den Grund seines Daseins hier und jetzt und für das Ende, das ihn erwartet. Kann die Aussage des heiligen Augustinus überraschen: „Du hast uns für dich geschaffen, Herr, und unser Herz ist unruhig, bis es in dir ruht“? Augustinus gibt uns zu verstehen, dass das Verlangen eine Fähigkeit zur Selbsttranszendenz ist, eine Sehnsucht nach dem Jenseits, um eine dem Dichter Renzo Barsacchi lieb gewordene Metapher zu verwenden. Die Sehnsucht hat im Grunde ihren endgültigen Anziehungspunkt im Ersehnten, in Gott, „dessen Antlitz“, schrieb Thérèse von Lisieux, „mein einziges Zuhause ist“, aber sie hat auch eine unmittelbare Anziehungskraft auf den Menschen, sein sichtbares Symbol. Wir haben es verstanden, der Mönch ist ein Archetyp – wie Raimon Panikkar es ausdrückte. Jeder Mensch strebt nach dem, was wir das vorletzte Ergebnis seines Lebens nennen können: das Sein; und nach dem letzten Ergebnis: Gott, seine ursprüngliche Quelle. In diesem Zusammenhang wird V. 11 des Psalms 86 (85): „Halte mein Herz vereint“ in Aquilas griechischer Version wie folgt gelesen: „Mache mein Herz zu einem Mönch“. An dieser Stelle wage ich die Behauptung, dass die monastische Berufung eine anthropologische Universalität ist, die sogar der Entscheidung für ein Glaubensbekenntnis vorausgeht, sei es ein christliches oder ein buddhistisches oder ein hinduistisches oder paradoxerweise sogar ein atheistisches (Atheismus ist auch ein Glaube). Das ist es, was Generationen von Mönchen und Nonnen zunächst in die Wüste der Einsiedelei und dann in die Zönobien trieb. Es war sicher nicht das Streben nach Vollkommenheit oder eine falsch verstandene fuga mundi; nicht die Sorge, das große kulturelle Erbe vor den barbarischen Horden zu retten oder die Unfähigkeit, eine Familie mit Verantwortung und Engagement zu gründen. Nichts von alledem, sondern nur eine große Leidenschaft für Gott und der Versuch, den großen Sehnsüchten, die das menschliche Herz durchdringen, zu entsprechen. Der heilige Gregor der Große schreibt über den heiligen Benedikt: „Er verschmähte das Studium, verließ Vaterhaus und Vermögen und begehrte in dem Verlangen, Gott allein zu gefallen, das Ordenskleid. So zog er sich zurück, mit Wissen unwissend und in Weisheit ungelehrt“ (Dialoge II,1). Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man meinen, dass der heilige Benedikt sich aus Verachtung der Welt in die Einsamkeit zurückgezogen hat. In Wirklichkeit verweigert er sich, ja, aber um zu bejahen; um zu bejahen, dass er die kostbare Perle gefunden hat, im Vergleich zu der alles verschwommener erscheint und doch alles in ihrem Licht neu gelesen und begrüßt wird. Diese Perle ist Jesus Christus.
Kommentar von d. Sandro Carotta, osb
Abbazia di Praglia (Italien)
Übersetzung von fr. Daniel Tibi,
Abtei Kornelimünster